Corona, Reisen und Übersetzen

Corona, Reisen und Übersetzen

Zu den seltsamsten Auswirkungen der aktuellen Pandemie gehört die Kombination von persönlicher Isolation und Reisebeschränkung mit dem Dauerbeschuss von internationalen Nachrichten. Doch mit der Anpaarung von Alleinsein mit kosmopolitischen Inhalten sind Übersetzer schon lange vertraut. Lesen Sie weiter, um herauszufinden, warum die Welt auch in Krisenzeiten etwas von Übersetzern lernen kann!

 

Der neue Umgang mit der Welt

Um diesen Beitrag mit einem Satz zu beginnen, der alles andere als originell ist: Es ist im Moment eine komische Zeit. Das ist uns sicherlich allen bewusst; wir gehen ganz anders mit Themen um, die früher selbstverständlich waren. Schule, Arbeit, Einkaufen. Und Reisen.

Pandemiebedingt sind wir im Moment in unserer Reisefreiheit eingeschränkt. Mancherorts werden diese Beschränkungen durch strikte Auflagen in Form von Vorgaben kodifiziert, anderorts gelten lediglich entsprechende Empfehlungen. Das ist auch angesichts der Infektionslage verständlich und nötig, aber deswegen nicht weniger unangenehm.

Gerade wir Europäer sind daran gewöhnt, nahezu unbegrenzt in der EU zu reisen. Da fällt es doch auf, wenn das plötzlich nicht mehr geht.

Doch seltsamerweise hat diese Zeit auch einen besonders globalen Charakter. Die Pandemie ist – wie der Begriff auch aussagt – international im Umlauf und unsere Nachrichtenticker sind voll mit Corona-Meldungen aus aller Welt. Bilder von Intensivstationen aus den USA und Frankreich, Berichterstattung aus dem ländlichen China: Wir dürfen nicht in die Welt hinaus, aber dafür kommt sie zu uns nach Hause.

 

Übersetzer: niemals wirklich allein

Die aktuelle Situation ist eine, die Übersetzern in gewisser Hinsicht bekannt sein dürfte. Denn: Übersetzen ist ein einsamer und zugleich kosmopolitischer Beruf. Er findet häufig im Rahmen der Selbstständigkeit statt, ausgeübt ohne anwesende Kollegen, heutzutage fast ausschließlich digital. Woran sich viele im vergangenen Jahr haben gewöhnen müssen, ist für Übersetzer schon lange „normal“.

Doch auch wenn der Eindruck entstehen könnte, Übersetzer seien isoliert und allein, sind sie per Definition ständig mit der (Außen)Welt beschäftigt. Ob koreanische Patente, Brexit-Berichterstattung oder Reiseberichte aus Argentinien, Übersetzen erlaubt es dem Übersetzer, von seinem Arbeitsplatz aus, den Globus zu erkunden. Diese Art, durch Texte bewusst am internationalen und tagespolitischen Geschehen teilzuhaben, könnte vielen Menschen helfen, die sich im Moment so fühlen, als seien sie von allem abgeschnitten.

 

Was wir von Übersetzern lernen können

Vielleicht können andere also in dieser ungewöhnlichen Zeit von Übersetzern etwas lernen. Nicht, weil Übersetzer nicht auch unter der Pandemie leiden, sondern weil sie berufsbedingt Arbeitsweisen und Kompetenzen kultivieren, die in Krisenmomenten von Nützen sein können.

Wenn es darum geht, von zuhause aus und ohne Kollegen zu arbeiten, ist Übung entscheidend. Es ist eine Umstellung, die ganz schön hart sein kann. Da müssen häufig Aspekte des eigenen Arbeitsrhythmus angepasst werden, damit es im Homeoffice gut läuft. Viele freiberuflichen Übersetzer haben beispielsweise feste Bürozeiten und Arbeitsräume oder -ecken zuhause, damit sich Privates von Beruflichem trennen lässt.

Übersetzer sind ebenfalls darin geübt, digital Netzwerke aufzubauen und zu pflegen. Zwar leiden sie genauso wie alle anderen an den aktuellen Kontakteinschränkungen, doch sie können trotzdem auf eine große Gruppe oft international verteilter Bekannte und Kollegen zugreifen, mit denen die bisherige Kommunikation ohnehin schon digitaler Natur war.

 

Geistiges Reisen

Wenn es darum geht, sich mit den Nachrichten auseinanderzusetzen, ist es nicht immer angenehm, das Geschehen unserer Zeit mitzuverfolgen. Auch hier sollte man sich eine Strategie von Übersetzern abgucken: Es ist möglich, einen Text in seiner Bedeutung und in seinem Ton zu begreifen, ohne dass man die teils schwere Kost ganz an sich heranlässt. Das soll kein Plädoyer für emotionales Erkalten sein, doch bei ständigen schlechten Nachrichten ist Abgrenzung ein wichtiges Werkzeug.

Und wem das Reisen fehlt, der kann durch internationale Texte ein wenig weltweite Luft schnuppern. Dank Übersetzern ist vieles in diversen Sprachen verfügbar und zugänglich, sodass man, wie Übersetzer selbst, das „echte“ Reisen durch geistiges Reisen ersetzen kann.

 

(O.M., 2021)

 

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